Kennen oder haben Sie auch ein Gedicht über Jacob Böhme, in dem er oder seine Philosophie vorkommt? Und das hier noch nicht zu finden ist? Senden Sie es uns gerne!
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Norman Franke ist zweisprachiger Dichter, Filmemacher und Hochschullehrer in Neuseeland, zur Zeit Co-Chair der Waikato Sektion der New Zealand Society of Authors (PEN).
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Für Jacob Böhme
Es mag in einem jener Sommer geschehen sein, der ein Winter war und in dem du in Prag wollene Handschuhe verkauftest. Du bedurftest vieler Meister Schriften, Zeugnis, was dir in Traum und Morgenrot offenbar geworden. Die ‚Philosophische Kugel’, das ‚Wunder Auge der Ewigkeit’. Nacht und Tag auf den Gassen, die Nachfrage gering, die bedürftigen Käufer zu arm. Du verschenktest viel, vor allem an Kinder.
Im Zentrum, wo das paradiesische Herz sitzt, entspringt das Koordinatensystem dieser Welt, zwiefältig, aufgeklappt in eine dunkle, eine helle Hälfte. Wie dein Porträt, das einen Medizinmann der Algonkin zeigt, die feierliche Einsamkeit eurer Stirn, die gleiche Ehrfurcht der Waldvögel unter jedem Himmelsstrich.
Zunächst am irdischen Menschen liegend indes auch Babel und das Wunder der Großen Torheit, nur wenige Sphären von den Cherubim. Der Leib - Fleisch und Göttlicher Witz - im Widerstreit mit sich selbst. Sich fortzeugende Welt, natura naturans, welche die Kinder Adams heraussetzt, sich zu beklagen und zu befreien: vereint, als Freunde, Frau und Mann, als Licht und Wasser, im Gespräch.
Das schwarze Brot auf dem Tisch, das im Verborgenen zu Muskeln wird, Taten und Reimen, zu Laben, zu Lieben, zu Loben. Wie leicht jedoch könnte darüber der Erdrauch vergessen sein, der schlichte, der im Herbst unsichtbar macht. Oder die Arnika, aus der schöne Liebessalben gerieben werden, nebst der Walnuss, die dem Gehirn Fettsäuren gibt, der Jasminstrauch, die Veilchen, Rosmarin, und der Tod, die alle den Schöpfer loben, der Sophia vertraut.
Wenn ihr nur handwerkt und schreibt wie geistliche Schuster und Ammen.
Katharina gleich, die mit einer Londoner Flugschrift zu deinem Sterbebett kommt, hinter dem die Knechte der Inquisition stehen. Sagt die Frau: Mein Geliebter und Freund, ein Sendschreiben von Vertrauten der Prinzessin aus Gravesend. Sieh: so ist, in der Nähe und Ferne, die Liebesgeschichte Gottes am Werk.
Dein leeres Grab aber: voller Steine.
For Jacob Böhme
It may have happened in one of those summers that was a winter when you were selling woollen mittens in Prague. As you needed the writings of the great masters. Testimony of what was revealed to you in dawn dreams. ‘The Philosophical Globe', ‘The Eye of Eternity’. Night and day on the streets, demand low, the needy buyers too poor. You gave away a lot, especially to children.
In the centre, where the paradisiacal heart is, originates the coordinate system of this world, twofold, a dark and a light half. Like your portrait, which shows an Algonquian medicine man. Your foreheads’ solemn solitude. Full of reverence of forest birds in all lands under the heaven.
Close to earthly man also lies Babel, and the miracle of the Great Folly, only a few spheres from the cherubim. The body — flesh and divine wit — in conflict with itself. The ever reproducing world, natura naturans, which releases the Sons of Adam to revolt and free themselves: united, as friends, woman and man, as light and water, in conversation.
The black bread on the table secretly becomes muscles, actions and rhymes, to live, to love, to laud. Yet how easily we forget the wood smoke that arises from autumn fires, humble and making invisible. Arnica, from which love ointments derive, along with walnuts, which restore the brain’s fatty acids, jasmine blossoms, violets, rosemary, and death, all of which praise the Creator, through Sophia’s insights.
If only you craft and write like spiritual cobblers and midwives.
Like Katharina, who brings a letter from London to your deathbed, behind which the bailiffs of the Inquisition stand. Says the woman: My beloved and friend, a message from the Princess of Gravesend’s confidants. Behold: God's love story at work, here and everywhere, world without end.
Your grave was found empty, and full of stones.
weniger
Im Wasser lebt der Fisch, die Pflanzen in der Erden,
Der Vogel in der Luft, die Sonn im Firmament.
Der Salamander muß im Feur erhalten werden:
Und Gottes Herz ist Jakob Böhmens Element.
An Tieck (erste Fassung / zweite Fassung)
Ein Kind voll Wehmut und voll Treue, Nach langen Suchen, langen Warten, Ein altes Buch mit Gold verschlossen, Und wie es sitzt und ließt und schauet So hebt sich sacht aus Gras u[nd] Kräutern Bekannt und heimlich sind die Züge Das Kind faßt bebend seine Hände - Du kniest auf meinen öden Grabe Auf jenem Berg, als armer Knabe Es sind an mir durch Gottes Gnade Ich habe treulich aufgeschrieben Die Zeit ist da, und nicht verborgen In deine düstre Zeit herein. Verkündiger der Morgenröthe, Gott sei mit dir - geh hin und wasche Du hilfst das Reich des Lebens gründen Ein Kind voll Wehmut und voll Treue, Nach langen Suchen, langen Warten, Ein altes Buch mit Gold verschlossen, Und wie es sitzt und ließt und schauet So hebt sich sacht aus Gras u[nd] Kräutern Bekannt und heimlich sind die Züge Das Kind faßt bebend seine Hände - Du kniest auf meinen öden Grabe Auf jenem Berg, als armer Knabe Es sind an mir durch Gottes Gnade Ich habe treulich aufgeschrieben Die Zeit ist da, und nicht verborgen In deine düstre Zeit herein. Verkündiger der Morgenröthe, Gott sei mit dir - geh hin und wasche Du hilfst das Reich des Lebens gründen |
Ein Kind voll Wehmuth und voll Treue, Nach langem Suchen, langem Warten, Ein altes Buch mit Gold verschlossen, Und wie es sitzt, und liest, und schauet So hebt sich sacht aus Gras undKräutern Bekannt doch heimlich sind dieZüge, Das Kind faßt bebend seine Hände, Du kniest auf meinem öden Grabe, Auf jenem Berg als armer Knabe Es sind an mir durch Gottes Gnade Ich habe treulich aufgeschrieben, Die Zeit ist da, und nicht verborgen Verkündiger der Morgenröthe, Gott sey mit dir: Geh hin und wasche Du wirst das letzte Reich verkünden, Ein Kind voll Wehmuth und voll Treue, Nach langem Suchen, langem Warten, Ein altes Buch mit Gold verschlossen, Und wie es sitzt, und liest, und schauet So hebt sich sacht aus Gras undKräutern Bekannt doch heimlich sind dieZüge, Das Kind faßt bebend seine Hände, Du kniest auf meinem öden Grabe, Auf jenem Berg als armer Knabe Es sind an mir durch Gottes Gnade Ich habe treulich aufgeschrieben, Die Zeit ist da, und nicht verborgen Verkündiger der Morgenröthe,
Gott sey mit dir: Geh hin und wasche Du wirst das letzte Reich verkünden, |
1. Fassung: Entstanden Frühjahr 1800. Überliefert in der Handschrift Novalis‘.
2. Fassung: Erstdruck: Musen-Almanach für das Jahr 1802, hg. v. Ludwig Tieck und A.W. Schlegel, auf Basis einer Abschrift von Friedrich Schlegel.
weniger
Der Durchbruch der Weisheit
aus: Der Wintergarten (1809), Achter Winterabend
Das Gedicht über Jacob Böhme umfasst rund 80 Strophen, daher drucken wir es aufgrund der Länge nicht ab sondern stellen es als pdf-File zur Verfügung.
An Jacob Böhme′s Grabe.
Görlitz im Mai 1813.
Ich komm′ aus weiter Ferne
Ein müder Wandersmann,
Mir zeigten lichte Sterne
Zu dir die liebe Bahn.
Als Knabe schon vernommen
Hab′ ich ein Wort von dir,
Nun bin ich selbst gekommen,
Und bin so selig hier.
Dort hat die Welt ihr Wesen,
Hier weht so milde Luft,
Es müssen wol genesen
Die Krieger an der Gruft.
Sie nahn voll Blut und Schmerzen
Und finden hier das Heil,
Der Todespfeil im Herzen
Wird schnell zum Liebespfeil.
Und seit ich hier gesessen,
Was ist in mir geschehn,
Wie viel hab′ ich vergessen,
Wie viel hab′ ich gesehn!
Ich war so weit gegangen,
Ich war so reich und arm,
Die Brust war von Verlangen,
Von Haß und Liebe warm.
In Quellen wollt′ ich tauchen
Mein glänzend Angesicht,
Da kam zu mir dein Hauchen,
Da winkte mir dein Licht.
Des ew′gen Ursprungs Spuren,
Die Form aus erster Hand,
Der Dinge Signaturen -
Sind sie so schnell erkannt?
Wer möchte nicht erwerben
So hohen Meisterthron?
Wer nicht aus Liebe sterben,
Wenn das des Todes Lohn?
Doch läßt sich das nicht kaufen,
Sophia wird geschenkt;
Ich will Aurora taufen,
Was hier in mich gesenkt.
Aus: Max von Schenkendorf: Gedichte. Mit einem Lebensabriß und Erläuterungen von August Hagen. 4. Auflage. Stuttgart (Cotta) 1871, S. 67f.
(mitgeteilt von Hans-Rüdiger Schwab)
wenigerJacob Böhm, der Theosoph
Mehr lesenEin Schuster saß, ein Biedermann,
Zu Görlitz in der Stadt;
Der spannte seinen Riemen an
Und teerte sich den Draht
Und auf dem Knie mit Hammerstreich
Schlug er das braune Leder weich.
Es schnitt der Kneif, die Pfrieme sticht,
Der Borste Bahn sie brach,
Ein Doppelfaden schwarz gepicht
Kroch ihr erst säumig nach,
Bis links und rechts mit einem Griff
Er durch des Schuhes Sole pfiff.
Gen Mitternacht schon tief es ging,
Der Schuster so noch sah,
Vor ihm im Holzgestelle hing
Das lichte Kugelglas,
Dahinter glänzt die Lampe rein,
Durchleuchtet es mit klarem Schein.
Und immer tiefer sank die Nacht,
Und Kneif und Hammer ruht,
Und ruht flammt in Goldespracht
Des Glases Wasserflut.
Nach ihrem milden Schimmer blickt
Des Schusters Auge unverrückt.
Da plötzlich wie mit einem Mal
Dem Blindgebornen reißt
Die Binde vor des Lichtes Strahl,
So sein entzückter Geist
Schaut im erhellten Wasserball
Die Wunder Gottes ohne Zahl.
Er schaut das Licht, schaut seinen Grund,
Das in der Gottheit quillt
Aus ew'er Nacht, aus der entstund
Der Schöpfung Kugelbild,
Die in sich dunkel, sonnenhaft
Durchschienen lebt von Gottes Kraft.
Er schaut im Wasser hell und klein
Luftstäubchen körnergleich,
Wie Sonne, Mond und Sternenschein
Gestaltet in dem Reich
Der Allmacht schwebt, die, was sie trägt,
In sich gleich einem Rad bewegt.
Und wo der Liebe Strahl sich eint
Im Brennpunkt alles Seins,
Ein Fünklein Staub still schwebend scheint,
Ihm gleicht an Helle keins,
Doch sank es bald verfinstert, bis
Auf der Erbarmung Grund es stieß.
Im Safrankleid am Himmelstor
Die Morgenröte stand;
Die Lampe still die Kraft verlor,
Der Glanz der Kugel schwand.
Und aus dem Sinnen lang und tief
Das Taglicht wach den Schuster rief.
Und von der Stunde dieser Mann
Durch innres Licht erhellt
Zu denken fing, zu schreiben an
Schwer faßbar für die Welt.
Und bei dem Allen, was er schrieb,
Er stets bei seinem Leisten blieb.
Der Schuster Jacob Böhme hieß,
Den seine eigne Zeit
Verkannt, den in die Grube stieß
Die Bosheit und der Neid,
Den mit der Weisheit Gott belieh,
Doch manch ein Tor als Tor verschrie.
Der Erste ist er, der er bleibt,
An Tiefsinn, Weltverstand
Von Allem, was sein Handwerk treibt
Und trieb im deutschen Land.
Den Kopf nur schüttelt Stolz dazu,
Der barfuß steht im Narrenschuh.
Aus: Franz Binhack: Reime und Träume. Neuburg (Prechter) 1869, 75f.
(mitgeteilt von Hans-Rüdiger Schwab)
(1784 – 1862)
Jakob Böhm’s Verklärung
„Am heil'gen Osterabend, da die Hirten
Schon alle heimgetrieben, hütet' ich
Nur noch allein; die Abendlerchen schwirrten,
In Feld und Büschen regte Frühling sich,
Die Tauben in der Krone Felsen girrten,
Ich aber saß und weinte bitterlich;
Gestorben waren mir die theuren Herzen,
Ich hatte nichts als mich und meine Schmerzen.
„Und dieses Buch. Und las ich in dem Buch,
So kam gewöhnlich auch der alte Mann,
Der einstens, daß er mir den Geist versuche,
Mich in den Berg geführt, wo Silber rann.
Nun frug er mich aufs Neue, was ich suche? —
Die Todten such' ich! hub ich traurig an.
Und willst du mir nicht deine Leiden sagen? —
Er frug so sanft, da mußt' ich ihm sie klagen!
„Es ist umsonst! die Elemente nagen
An meines liebsten Lebens schönster Pracht;
Die Sonnen wandeln ohne mich zu fragen,
So Frühling wird's, und Winter, Tag und Nacht,
Die Sterne seh' ich auf und ab sich wagen,
Spottglänzend düstrem Zorn und eitler Macht —
O daß nicht, was mich quält, ich müßte, sollte!
Sey'n auch die Todten todt! wenn ich's nur wollte!
„Es ist umsonst dein Leid, mein Geist; es stellen
Verlornes Glück nicht Träume wieder her;
Nur einmal wogt was lebt auf hohen Wellen,
Dann mischt und wühlt's der Wind in grundlos Meer;
Du leuchtest bang hinab es aufzuhellen,
Versunken bleibts, es bleibt der Busen schwer.
O wäre mit dem Leben jener Stunden
Auch der Erinnrung Bild zugleich verschwunden!
„Mir ist, als könnte' ich alles noch bereiten!
Als säß' ich noch, als Kind, im Traum von Glück;
Wie nur aus einer Phantasie der Zeiten
Die nicht gelang, mißfallend meinem Blick,
Zerstört in Nebelduft die Wirklichkeiten,
Ruf' ich den Geist in seine Welt zurück:
Von allem, was so wie das Kind vergangen,
Fühl ich mich neu, wie noch das Kind umfangen.
„Und heiß' ich nun den Geist ein Andres sinnen,
So will er gern dem Traum gehorsam seyn:
Wohl fängt er fröhlich an sich einzuspinnen —
Doch laufen schwarze Fäden bald mit ein!
Es fällt ihm ein sein eigenes Beginnen,
Sein Netz bespiegelt heut'ger Sonne Schein,
In Luft gehängt verwirrt sich sein Gewebe —
Und nüchtern seh' ich weinend: wo ich lebe! —
„Nun sprich: Wo lebst du denn?“ — so frug der Alte;
Wer täte denn der Treue goldne Saat? —
Denn als die Zeit kam, daß die Welt erschallte,
D a s a ß e n a l l e G e i s t e r w i r z u R a t h,
Und gaben ihr: daß sie sich selbst verwalte;
Mein Wort auch ward zu Welt und Werk und That.
Und sollt' ich nun mein eignes Wort vergessen?
Das hieß' den Bund gebrochen, und vermessen!“
„Fest in der Weisheit goldne reine Schale
Ward einst die ganze schöne Welt erbaut,
Und nach dem unvergänglich klaren Male
Mit scharfer Richtung, gleichend hingeschaut;
Was wohnt und wirkt in diesem Himmelssaale
Von e i n e m Götterfrieden wird's bethaut;
Es kann ihm Abgewognes nur begegnen,
Der blinde Sinn vermag's nur nicht zu segnen.“
„Es ist nur alles, und nichts ist gewesen.
E s g i e b t n i c h t einen T o d t e n! fort den Wahn!
Still schwebt ihr sicheres verklärtes Wesen
Nicht hinter dir, es flieget dir voran!
Und wie der alten Jahre Kraft und Wesen
Sich jetzt im neuen Lenz hervorgethan,
So ist die Vorwelt in das Heut verwoben,
In ewger Gegenwart dir aufgehoben.“
„Sieh, heut noch ist die ganze Welt im Werden,
Denn Lebenskraft ist auch die Schaffenskaft;
Die Sonn' umsingen tanzend ihre Erden,
Heut fällt sie, wenn sie sich nicht selbst errafft!
Das eigne Mark ernährt der Sterne Heerden,
Die Welt ist's die fortan sich selber schafft;
Wie aus der ersten Nacht, mit gleichen Mächten,
Entreißt sie sich noch heut des Chaos Nächten.“
„Und wie der Sonne nie die Tag' entschweben,
Denn sie ist selbst erst andern Tag und Licht,
So steh' ich Mittelsonne brütend Leben
und das Vergangene verging — mir nicht:
Es glänzte nur von meines Glanzes Weben,
Fest bleibt mir Ruhendem es im Gesicht.
Was schwebt und scheint und flieht — um mich ja kreist es —
Das ruht im ew'gen Strahle meines Geistes.“
„Welch Unglück jemal kann der Mensch erleiden?
Der Mensch, ein Geist der innersten Natur,
Kann jemals sich der Geist vom Geiste scheiden!
Was kränkte doch den Ewigsten nur!
Und will er nun auch Leib und Erde meiden,
Er wandelt fort auf seiner eignen Spur,
Und hinter ihm die Windeln bleiben liegen,
Durch seine Welt kann er nach Willkür fliegen.“
„Denn nicht ein Muß ist's das den Freien bindet,
Er hat sich selbst die Ordnung einst gesetzt,
Wie sie die Erd' und Sonne nun verkündet;
Ihr strengstes Halten macht ihn hochergetzt
Es braucht nur, daß der Mensch sich selbt ergründet,
Der schweigend sich in Thränen selbst verletzt:
Sieh in Dir das Gesetz, das dich umfangen,
Dann ist dir deine Allmacht aufgegangen.“
„Und soll die ganze Welt bestehen;
Es sollen im Vereine, fern, allein,
Die Sterne sich in sanften Kreisen drehen,
Die Zukunft schließe mir die Blume ein,
Was irdisch ist, soll welken und vergehen,
Das Alterthum, es soll vergangen seyn.
Daran erkenn' ich meinen ew'gen Willen,
Daß ihn die Elemente stracks erfüllen.“
„Ich will ja hoffen! und ich will ja lieben —
Will die Natur als schöne Todte sehn!
Ich will den Glauben, will das Schauen üben —
Will die Natur als Braut sehn auferstehn!
Ich will ja weinen, will mich ja betüben —
Als Bettler arm auf meiner Erde gehn.
Wo I c h kann gut seyn, ist das Seyn das beste,
Und heimlich feir' ich sel'ge Götterfeste.“
„Ich will nun: daß mein Haar sich silbern färbe,
Nachdem es lange braun und blühend war;
Nun will ich, daß ich Alter, Müder sterbe,
Wie ich gewollt, daß mich ein Weib gebar;
Damit ich andres Daseyn mir erwerbe,
Nachschwebe der mir vorentschwebten Schaar;
Wie's in dem neuen Kreise wird ergehen,
Nach meinem Wollen wird mir nur geschehen.“
„So freuet mich die Welt — mein Schmuck — im Stillen,
Und was auch alles außer mir geschieht,
Ist mir: als thät' ich alles Selbst erfüllen,
Und alle Sphären singen nur mein Lied;
Sie fragen mich nicht mehr um meinen Willen,
Sie haben ihn! Ich segne sie in Fried'.
Auf meinen eignen Flügeln hingetragen
Will ich des Himmel Hallen all' erjagen.“ —
„Und zu der Worte staunendem Beweise,
Zog er das sternenvolle Himmelblau
wie einen Vorhang weg, daß ich im Kreise
Der Geister selbst mich an der Tafel schau'
Wie sie zu Rathe saßen, und noch leise
Dort sitzend, wirkten an dem heil'gen Bau —
Und meine Todten lächelten mir nieder —
Und leise schloß der Geistersaal sich wieder.“
„Da fühl ich mich als einen andern Hirten,
Und andre goldne Lämmer hütet' ich!
O Lust! o Glück, wenn nun die Lerchen schwirrten,
und regte Frühling um die Gräber sich!
Und wie die Tauben in den Felsen girrten,
So saß ich noch und weinte — wonniglich!
Und daß Euch bleibe das, was mir geblieben,
Hab ich des Alten Wort Euch aufgeschrieben.“
(mitgeteilt von Hans-Rüdiger Schwab)
weniger(1835-1887)
„Wem Zeit ist wie Ewigkeit,
und Ewigkeit wie Zeit,
der ist befreit von allem Leid“
Jakob Böhme
Wie ein Pfeil enteilt dem Bogen,
Wenn der Schütz' ihn hält bereit,
Also ist die Zeit verflogen;
Näher kommt die Ewigkeit.
Was da grünet, was da blühet,
Das wird bald ein dürres Laub;
Was in Erdenpracht erglühet,
Alles fällt der Zeit zum Raub.
Aber was von Oben stammet
Aus der Ewigkeiten Schoß,
Was in ew'ger Liebe flammet,
Das hat auch ein ewig Los.
Als der Heiland ist erschienen,
Kam die Ewigkeit zur Zeit
Und sein Tod und Leben dienen
Aufzulösen diesen Streit.
Wo Er sich mit uns verbindet,
Da ist sel'ge Ewigkeit;
Wo die Seel' Sein Antlitz findet,
Dringt das Ew'ge in die Zeit.
Wo man Seine Näh' genießet,
Da giebt's nur ein selig Nu,
Wo Sein Leben sich ergießet,
Da ist ew'ge, sel'ge Ruh'!
Aus: Deutschlands Dichterinnen. Blüthen deutscher Frauenpoesie aus den Werken deutscher Dichterinnen der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald. Osterwieck/Harz [1895], S. 387.
Im folgenden pdf-File können Sie die Seiten eines „Kommers zur Enthüllungsfeier des Böhme-Denkmals 1898“ sehen, mit Gedichten von Emil Barber und Karl Thomas.
Quelle: digital-slub-dresden, Görlitzer Sammlungen. (mitgeteilt von Hans-Rüdiger Schwab)
Siehe auch das Programm der Feierlichkeiten 1924 unter Görlitz. Weiterlesen
weniger(1887-1956):
the Song of Jacob Boehme
The wild fowl hath not seen it, No vulture flown so high, The lion's whelp hath not trodden, Nor the fierce lion passed by, The crags and the abysses Of that most lonely way, Which windeth in the mountains, And leadeth to the May.
The chymist labours nightly, No travail will he shirk, If he can hope to finish The Philosophic Work. Mercury, salt, and sulphur, In Athanor are they, But through their transmutation He cannot find the May.
And I am but a cobbler, At work from morn till night, A poor and silly groundling Who scarce can read or write; With cares of trade and household I struggle all the day, But I have trod the mountains, And I have found the May.
—The May of glancing sunshine, The May of glowing flowers, Of singing birds, and breezes, And swift leaf-scented showers. No more I fear the Turba, For I have seen God play Among the dews and lilies Of the Eternal May.
O I have found the spring-time Of green sun-spotted shade! O I have found the garden Where roses never fade! O I have learned the secrets And signs of all the sky, And wrought the Magnum Opus Of holy Alchemy!
The salt Impress of Saturn Is mine, and Luna's Form, And Mercury's sharp Flagrat, And Mars' most ruddy storm, Mine is the young child Venus, Mine Jupiter's pure might, I haunt the sacred Houses, I read the dooms of night.
The magical Triangles Have shown me what they hold Of light and corporiety, Of bitterness and gold, I saw God in the garden, I saw Him on the Tree, Dying to bring back Adam Into the Liberty.
Men laugh, and call me crazy, The pastor saith I've sought To overturn the doctrines That Martin Luther taught, My books he burnt, with curses, And I have heard him tell Good Christians to avoid me As they would flee from hell.
The astrologers all mock me, The learned chymists cry, 'What hath this child to tell us About our Alchemy?' I have felt drought and hunger, Met lions in the way, Been wounded in friends' houses, But I have found the May.
—The May of glancing sunshine, The May of glowing flowers, Of singing-birds, and breezes, And swift leaf-scented showers. No more I fear the Turba, For I have seen God play Among the dews and lilies Of the Eternal May.
O hearken then, thou Magus, And let thy love be sure, Give worship to the Artist, And keep his pattern pure, O labour in the lubet! And I shall humbly pray That thou become a Champion, And find at last the May.
The magical Triangles Shall both at last be one, Adam return to Paradise, The Mighty Work be done; Then the meek holy servants Shall see their God at play— O haste the time, great Master, When all men find the May! |
Das Wildgeflügel hat es nicht gesehen, Kein Geier ist so hoch geflogen, Der Löwenwelpe ist nicht zertreten, Auch der wilde Löwe zog nicht vorbei, Die Klippen und die Abgründe Von diesem einsamsten Weg, Der sich in den Bergen windet, Und führt zum Mai.
Der Alchimist schuftet jede Nacht, Er wird sich nicht davor drücken, Wenn er hoffen kann, dass er fertig wird Das philosophische Werk. Quecksilber, Salz und Schwefel, In Athanor sind sie, Aber durch ihre Transmutation Er kann den Mai nicht finden.
Und ich bin nur ein Schuster, Bei der Arbeit von morgens bis abends, Ein schlechtes und dummes Fundament Wer knapp ist, kann lesen oder schreiben; Mit der Pflege von Handel und Haushalt Ich kämpfe den ganzen Tag, Aber ich bin in die Berge gegangen, Und ich habe den Mai gefunden.
-Der Mai des blickenden Sonnenscheins, Der Mai der glühenden Blumen, Von singenden Vögeln und Brisen, Und schnelle, nach Blättern duftende Schauer. Ich fürchte die Turba nicht mehr, Denn ich habe Gott spielen sehen Unter den Tauben und Lilien Vom Ewigen Mai.
O ich habe den Frühling gefunden Von grünem, sonnenfleckigem Schatten! O ich habe den Garten gefunden Wo die Rosen nie verblassen! O ich habe die Geheimnisse gelernt Und Zeichen des ganzen Himmels, Und hat das Magnum Opus Der heiligen Alchemie!
Die Salzeinwirkung des Saturn Ist meine und Lunas Form, Und Merkurs scharfer Flagrat, Und der verdammteste Sturm auf dem Mars, Meines ist das kleine Kind Venus, Meine Jupiters reine Macht, Ich spuke in den heiligen Häusern, Ich lese die Untergänge der Nacht.
Die magischen Dreiecke Haben mir gezeigt, was sie halten Von Licht und Körperlichkeit, Von Bitterkeit und Gold, Ich sah Gott im Garten, Ich habe ihn auf dem Baum gesehen, Adam unbedingt zurückbringen In die Freiheit.
Männer lachen und nennen mich verrückt, Der Pastor sagt, ich habe gesucht Um die Doktrinen umzustürzen Das hat Martin Luther gelehrt, Meine Bücher hat er verbrannt, mit Flüchen, Und ich habe gehört, wie er sagte Gute Christen, die mich meiden Da sie vor der Hölle fliehen würden.
Die Astrologen verspotten mich alle, Die gelehrten Alchimisten weinen, Was hat uns dieses Kind zu sagen? Über unsere Alchemie? Ich habe Dürre und Hunger gespürt, Hat Löwen im Weg gestanden, Wurde in den Häusern von Freunden verwundet, Aber ich habe den Mai gefunden.
-Der Mai des blickenden Sonnenscheins, Der Mai der glühenden Blumen, Von Singvögeln und Brisen, Und schnelle, nach Blättern duftende Schauer. Ich fürchte die Turba nicht mehr, Denn ich habe Gott spielen sehen Unter den Tauben und Lilien Vom Ewigen Mai.
O höre denn, du Magus, Und lass deine Liebe sicher sein, Verehren Sie den Künstler, Und sein Muster rein halten, O Arbeit im Schmiermittel! Und ich werde demütig beten. Dass du ein Champion wirst, Und finden Sie endlich den Mai.
Die magischen Dreiecke Sollen beide endlich eins sein, Adam kehrt ins Paradies zurück, Die mächtige Arbeit kann getan werden; Dann die sanften heiligen Diener Sie sollen ihren Gott im Spiel sehen. O eile die Zeit, großer Meister, Wenn alle Menschen den Mai finden! |
aus: Willow's Forge, London 1914
(mitgeteilt von Hans-Rüdiger Schwab)
weniger
Acht Gedichte aus der Nachfolge Jakob Böhmes
(Mit brüderlichen Grüßen zu Franz Jung)
„Gestellet für uns selbsten zum Ingedenk und Aufrichtung in dieser verwirreten, elenden und trübseligen Zeit.“ (Jakob Böhme, „de triplici homines“)
Auch der Zweifler bleibt in Gottes Sphäre
Heile Hunger, Giftqual und Begierde
und verschütte jede Leidenschaft,
jeden Zank, der nicht zu Gottes Zierde
seine Schiedlichkeit zusammenrafft!
Aber was, noch mit sich selber streitend,
seine Fackel nach den Wolken wirft,
Schild und Schild zur Sonnenbrücke breitend,
über die der Fuß gen Erden schlürft:
sei geschürt zum ungeheuren Brande,
der in einer Flamme sich verzehrt,
über Feindes-Lande, Freundes-Lande!
Und die Stadt, die sich vor Gott verstockt,
weil sie ihn noch gütiger begehrt,
gilt ihm mehr, als die ihn lächelnd lockt.
Anmerkung:
Die acht Gedichte (wir geben nur einen Auszug) stammen aus: Empörung – Andacht – Ewigkeit. Gedichte. Leipzig 1918. Das Motto aus dem „Dreifachen Leben des Menschen“ findet sich zu Beginn unter „Kurtzer Begriff dieses Buches“, mit der Ergänzung „im Jahr 1620“.
(mitgeteilt von Hans-Rüdiger Schwab)
Das Herz ward dir gestärkt von Menschenhand,
gehemmt pulsierte es zu kranken Adern,
bis, neu genäht, das Herz im Leben stand,
der Körper war bereit zum Wandern.
Der Finger der vorm Mund ans Schweigen dich erinnert,
sich von den Lippen löst und weist dir deinen Weg.
Ein jedes Ding hat seinen Mund zur Offenbarung,
ein jeder Mund den Ton für mancher Dinge Klang.
Und willst du das nicht glauben,
so thue deine Augen auf,
und gehe hin zu einem Baum,
und siehe den dir an und dann besinne dich.
Neu geheilt befreit sich mein Verstand,
weil ich Jacob Böhme wieder fand.
Die Rose des Mystikers
Ein iedes Ding hat seinen Mund
zur Offenbarung. Zeig’ die Blüte,
auch wenn vom Stengel eine Wund’
gerissen ward, daraus erglühte
so hell ein brennend heißes Wort,
das alle Kinder herzwärts tragen.
In Liebe trägt Natur uns fort,
wohin, das mag die Seele sagen.
Wovon der Name nicht bekannt,
davon die Seele nichts versteht.
Geheim ist Glück. Ein fernes Land
die Zeit, die nah um uns vergeht!
Hat Sonne uns das Feld verbrannt,
wird neues Leben ausgesät.
gedichte
im geist
JAKOB BÖHMES
(Auszüge aus einem Epos)
(BRAUTFEST)
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T O R
R
T
es war einmal so still
auf erden, daß es schmerzte,
zu sprechen. so war sprechen noch
ein umgehen der verletzung
im echo, ein sammeln der wunde
unter dem sich im lichtwind
wiegenden berge der wunder. -
sternfest
der ineinandertaumelnden namen:
da gingen götter auseinander
hervor in die gärten der namen. -
oh bergfest!
wo pardell und hirschkuh gottwurzel
suchen, still, unter den herzen
unhörbarer menschen.
***
des göttlichen worthaus, ich sah´s
im gedicht auch friedrich hölderlins,
sein gerüst, sich richtend
im eignen – ein licht-
wirkend gebäu über
getürmen von menschen,
- welch anmaß! täuschung
und trug der sich träumt
ohne bild -. und er stieg
den worten hinaus wie
aus mitten von vögeln,
welche die nachricht, die
zu bringen sie steigen,
verspeisen... so aber nicht
uns das worthaus erleuchteter flüge
der einsicht, göttlich – oh glücksfrucht -,
und herzwerk der sonne, wie
der engel schuster
jacob böhm´es gesehen
und fühlte, mittmang
sich rüstender eisen ur-
teilend gieriger diebe, die,
der eigensucht fieber
in paradiesbilder kehrend, später
das feuer ur-teilen, unbelehrbar
und hastig, die diebe, zeitüber
dem weltstein zu löschen
die goldene kraft seiner wildheit...
und so auch wars jener, der frühre, dem
der deutlichste dichter am nächsten,
durch berühmte sande zu folgen,
bereit stand auf der ihm
„tönenden rippe“ der erde, im fieber
der ausfahrt – und es zischte
im sand offener wunde
rot auf die gottfrucht
in der rückflut der sonne: atmend,
der weltstein, das wunder...