(Vgl. nunmehr auch die Edition dieses Werkes im Rahmen der Historisch-Kritischen Gesamtausgabe: weiterlesen)
Der 1620 vermutlich in Verbindung mit Böhmes vierter Schrift 40 Fragen von der Seelen entstandene kleine Traktat „Ein gründlicher Bericht vom irdischen und himmlischen Mysterio“, auch bekannt geworden unter dem Namen „Mysterium Pansophicum“, präsentiert sich als eine höchst anspruchsvolle philosophische Abhandlung und ist als solche in der Forschung denn auch wiederholt wahrgenommen worden. „Das Mysterium pansophicum, vom himmlischen und irdischen Mysterio, behandelt die Grundlehre Böhme’s und hält sich ganz in spekulativer Reinheit, trotz der Kürze ein Kleinod unter Böhme’s Schriften.“ (Adolph Fechner, 1858) In neun aufeinander aufbauenden Texten entwickelt Böhme in ihr die Grundzüge seiner Kosmologie von der Selbstgebärung Gottes bis hin zur Erschaffung von Welt und Mensch. Von zentraler Bedeutung ist dabei der von Böhme mit einer neuen Bedeutung unterlegte Begriff des Ungrunds, der sich wie kein zweiter mit seinem Namen und seiner Lehre ganz unmittelbar verbindet und zu dem das schmale Werk mit seinem Eingangssatz „Der Ungrund ist ein ewig Nichts“ und den sich hieran knüpfenden Spekulationen so etwas wie eine Schlüsselstelle bereithält. Nicht zuletzt aus dieser Besonderheit heraus erklärt sich zum Gutteil auch die – mit Namen wie Schelling und Schopenhauer sich verbindende – besondere Rezeptionsgeschichte des Traktats.
Böhmes Originalhandschrift des Textes hat sich nicht erhalten. So muß sich jeder Versuch einer kritischen Edition mit den vorhandenen Textträgern aus zweiter Hand behelfen – neben einem Abschriftenfragment insgesamt acht frühe vollständige Kopien. Unter ihnen stammen drei unzweifelhaft von Personen (bzw. wurden von Personen veranlaßt), die mit Böhme persönlich in Kontakt standen, so daß von deren Manuskripten anzunehmen ist, daß sie vom Autographen gefertigt wurden. Sie bilden die Grundlage für die vorliegende Neuedition des Traktats. Als Leithandschrift wurde die Abschrift des Michael Ender von Sercha gewählt, die Werner Buddecke in seinem Verzeichnis der Böhme-Manuskripte unter der Nummer 71 beschreibt. In die Fußnoten wurden neben Hinweisen zum Text der Leithandschrift relevant erscheinende Varianten der beiden anderen Abschriften aufgenommen. Die eine (Buddecke-Verzeichnis Nr. 72) stammt aus dem Besitz des Abraham von Sommerfeld, der wie Ender dem schlesischen Landadel angehörte und der die Kopie von seinem Gerichtsschreiber anfertigen ließ, die andere (bei Buddecke nicht verzeichnet) von Christian Bernhard, einem Zolleinnehmer aus Sagan. Zudem finden sich in den Fußnoten die Abweichungen vom bislang maßgeblichen Druck des Textes in der Edition von 1730 aufgeführt, wobei hier nur jene Textstellen berücksichtigt wurden, an denen der Druck von allen drei Abschriften abweicht.
Auf der Basis der neuen Textkonstitution hat Andrew Weeks eine Neuübersetzung des Gründlichen Berichts ins Englische angefertigt, die synoptisch eingefügt und von ihm mit Kommentaren zu Inhalt und Terminologie versehen wurde.
Jacob Böhme: Ein gründlicher Bericht [vom irdischen und himmlischen Mysterio](1620) / A Fundamental Report. In: Aurora (Morgen Röte im auffgang, 1612) and Ein gründlicher Bericht or A Fundamental Report (Mysterium Pansophicum, 1620) by Jacob Boehme. With a Translation, Introduction, and Commentary by Andrew Weeks and Günther Bonheim in Collaboration with Michael Spang as Editor of Gründlicher Bericht. Leiden, Boston: Brill, 2013, S. 63-65 und S. 792-825.
Günther Bonheim