Über die Werke

De signatura rerum

 

De signatura rerum

Naturkunde als Signaturenlehre


“Also muß der Tod eine Ursache des Lebens seyn.“ (8;7)

Dieses Werk Böhmes von Anfang 1622, in der Abfolge seiner Werke zwischen zahlreichen Schutz- und Streitschriften (1621) und der „Gnadenwahl“ (Fertigstellung Anfang 1623) gelegen, gilt als eines der schwierigsten seiner Schriften, (1) und dies wohl aus mehreren Gründen:


Wortwahl, fast die ganze Terminologie, der Titel und manche Gedankenwendung sind weitgehend von Paracelsus und seiner Anhänger übernommen. (2) Das Görlitzer Umfeld in jener Zeit war stark von Paracelsusanhängern geprägt. Indem aber Böhme etwas völlig Eigenständiges formt, das mit angewandter Alchemie kaum etwas zu tun hat, erhöht sich der Abstraktionsgrad dieser Schrift. Eine Abgrenzung der Gedanken und Begriffe zu ihrer Verwendung bei anderen Autoren im historischen Kontext ist daher nicht ganz einfach.


Das Werk wurde im naturkundlichen Diskurs oder von Alchimisten nach Böhme nicht mehr im Sinn naturwissenschaftlicher Innovationen rezipiert (3) – das erschwert uns die Einschätzung, was Böhme mit diesem komplizierten Werk beabsichtigt hat.


Dabei ist der Grundgedanke von Böhmes „Signatura Rerum“ recht einfach: Während seine Beschreibung der Schöpfung, der Naturprozesse, des menschlichen Lebens sich zumeist von den inneren Kräften zu den äußeren Erscheinungen der Natur hin bewegt, also vom „Ungrund“ zur Schöpfung der Dingwelt, ist die Betrachtung hier gleichsam umgekehrt: An den Dingen kann der Philosoph, so Böhme, ihr inneres Entstehen und ihr Wesen ablesen. „…wir verstehen nicht mit solcher Beschreibung einen Anfang der Gottheit, sondern wir zeigen euch die Offenbarung der Gottheit durch die Natur.“ (3;1)


Am Zeichencharakter der Dinge, ihrem Aussehen, ihrer Physiognomie, an ihrem Zeichenwert, können wir, so Böhme, ihr Wesen, ihre symbolische Semantik und Aussagekraft, sowie – etwa bei Pflanzen – ihre Wirkung ablesen. Diese „Signatur“ der Dinge zielt weniger auf ihre stoffliche Zusammensetzung als vielmehr auf ihre zeichenhaften Verbindungen zueinander. Nicht was sie sind, sondern was sie be-deuten, wohin sie deuten, beschäftigt Böhme. Dieses „Lesen“ der Dinge in der Natur gelingt in einer bestimmten Sprache, eben der „Natursprache“, wie Böhme sie nennt. Die Relevanz der universellen Metapher der frühen Neuzeit vom „Buch der Natur“ kann bei Böhme kaum überschätzt werden. (4)
Aus heutiger Sicht fällt es schwer, sich eine solche Signaturenlehre vorzustellen, wenn irgend sinnvolle naturkundliche Aussagen damit verbunden werden sollen, wie etwa folgende:


„Man kann iede Wurtzel, wie sie in der Erden ist, an der Signatur erkennen, wozu sie nutze ist, eine solche Gestalt hat das Kraut…“ (8;40)


Auffallend ist, dass Böhme für derlei Thesen kaum konkrete Beispiele liefert. Er war kein Kräutersammler, besaß kein alchemistisches Labor, hat nie eigene konkrete Erfahrungen mit alchemistischen „Prozessen“ gesammelt, über die er jedoch im Ton eines Lehrers mehrmals doziert. (vgl. 5;1 oder 7;55 oder 10;46) Von angewandter Alchimie oder experimenteller Stoffverwandlung hat Jacob Böhme kaum praktische Kenntnis gehabt.


Jedoch hat Böhme sich nicht über den mangelnden Praxisbezug zu rechtfertigen gehabt, er musste sich vielmehr gegen den Vorwurf des Pantheismus wehren:


„Allhie besinne dich und laß mich ungetadelt; Ich sage nicht daß die Natur GOtt sey, vielmehr die Frucht aus der Erden, sondern ich sage, GOtt giebet allem Leben Kraft, es sey bös oder gut, einem ieden nach seiner Begierde (…) Dann von und durch Ihn ist alles; was nicht seiner Liebe ist, das ist seines Zornes.“ (8;46)


„So wird mirs der Sophist übel deuten und sagen: Ich vermenge es in Eines, und halte die Natur für GOtt (…). Deme sage ich, er sehe meine Worte recht an, und lerne es recht verstehen: (…) Darum habe er Acht auf den Verstand: Ich schreibe nicht heidnisch, sondern Theosophisch, aus einem höheren Grunde als der äussere Werckmeister, und dann auch aus demselben.“ (8;56)


Während wir der alchimistischen Signaturenlehre vorwerfen könnten, sie verwechsle das Aussehen der Dinge mit ihrer chemischen Zusammensetzung, sah sie sich dem zeitgenössischen Verdacht ausgesetzt, Gott mit der Natur zu verwechseln, ihn mit ihr gleichzustellen. Doch gleichsam als Autor des Buchs der Natur ist er in seinem Werk anders anwesend als in Kirche und Theologie. Im Unterschied zu letzterer meint „Theosophie“ eine Weisheit („Sophia“), die der Institution Kirche weniger bedarf als etwa der Natur, um das ‚Göttliche‘ zu erkennen, ohne von der Theologie bevormundet zu werden. Und genau darum geht es Böhme. „Heidnisch“ wäre, etwa in Blitz und Donner direkt Götter zu vermuten; „theosophisch“ wäre, hinter den Kräften, die ein Gewitter entfesseln können, göttliche Kräfte am Werk zu wissen. (vgl. das Wettergleichnis in der „Signatura Rerum“ 3; 32-34 und 4;1)

 

Der „Philosoph“ bei Paracelsus


Bereits bei Paracelsus gibt es diese Differenzierung zwischen praktischer Naturkunde und ihrer philosophischen Spekulation. Paracelsus (1493/94 bis 1541) führt in seinem Werk „de natura rerum“ unter Kapitel Nr. 9 den Abschnitt „De signatura rerum naturalium“ (Von den Zeichen der natürlichen Dinge). Bei dieser Lehre geht es ebenso nicht um Dinge, sondern um ihre Zeichen, darum also, woran wir sie erkennen, nicht so sehr um ihre Beschaffenheit, wie wir sie als Stoffzusammensetzung verstehen. Die Wirkung (und Bezeichnung) von Pflanzen sei – so Paracelsus – an ihrer Form, Farbe, Oberfläche zu erkennen. Diese Zeichen-Kunst bezieht sich auch auf das Leben der Menschen:


„Wenn nun hier in diesem Buch de signatura rerum philosophiert werden soll,“ so Paracelsus, „will es sich gebühren und von nöten sein zu beschreiben, durch wen solche signata dastehen, wer ihr signator sei, auch wieviel derselbigen seien. So wißt, daß derselben dreierlei sind. Die ersten signata die, welche der Mensch signiert, die andern, welche der archeus (innerer Schöpfer der Dinge – TI) signiert, die dritten, welche die astra (Sterne –TI) der Übernatürlichen signieren. Es sind also drei signatores: der Mensch, der archeus und die astra.“ (5)


Die Menschen geben den Signaturen Namen, Alter, Ordnung, Klassifizierungen. Der „archeus“ – bei Böhme der „Mercurius“ - kennzeichnet gleichsam als deren innere Naturkraft die innere und verborgene „vollkommene Erkenntnis“, die Sterne geben Zeichen zu „Prophezeiungen“ kund. Wesentlich an diesem System der Signaturenlehre des Paracelsus ist die stets mitgedachte Eigenleistung des Menschen beim Bezeichnen und Deuten der Zeichen. Es klingt geradezu wie ein Emanzipationsprogramm, wenn es bei Paracelsus im gleichen Kapitel heißt:


„Die Weisheit des Menschen aber ist in keiner Dienstbarkeit, er ist kein Knecht, er hat seine Freiheit nit von sich gegeben noch aus der Hand gelassen, darum muß das Gestirn ihm nachgehen und ihm unterworfen sein, und er nicht dem Gestirn.“ (ebenda)


Freiheit in der Erforschung der Natur, die aus der Befreiung von astralischer Bevormundung folgt, ist bei Paracelsus, er gebraucht das Wort selber, ein philosophischer Anspruch in Zeiten der christlichen Opposition zu Theologie und Kirche. Mit ganz ähnlich theologiekritischem Anliegen wie Böhme rechtfertigt sich Paracelsus in der Schrift „Liber prologi in vitam beatam“ (Vom seligen Leben):


„Daß ich hie vom Wesen im seligen Leben schreib, ist nit, daß ich den Ungläubigen oder den von Christo Unwissenden Lehre gebe, denn nit ein Apostel oder dergleichen bin ich, sondern ein philosophus nach der deutschen Art. (…) der Geist geistet, wo er will, nit in allen, nit in vielen, sondern da, da es ihn gelüstet.“ (6)


Der Begriff des „Philosophen“ war in paracelsisch-alchimistischem Umfeld ein anderer, als er uns  geläufig ist. Wohl in keinem anderen Werk Böhmes fällt so oft der Begriff „Philosoph / philosophisch“, wie gerade in „De Signatura Rerum“, einem dezidiert naturkundlichem Werk.  Wir reihen ein paar Beispiele aneinander:


Von einer „Philosophischen Tauffe“ (10;17) ist die Rede, die der „Mercurius“ als Mittlerstoff zwischen Himmel und Erde am „Künstler“ vollzieht, wie der Alchimist hier und an anderen Stellen bezeichnet wird (7;57, 68, 10;16), „dann es müssen alle sieben Gestalten der Natur crystallisiret und lauter werden, soll das Universal (Jesus Christus in alchimistischer Umschreibung – TI) offenbar werden …“ (10;17)


„Die klare Gottheit bedeutet im Philosophischem Wercke die züchtige Jungfrau: Die Menschheit ist Sulphur, Mercurius und Sal, beydes himmlisch und irdisch…“ (10;53, ähnlich 10;60, 10; 70)


Böhmes Sprache, die sich auch hier der Terminologie des Paracelsus bedient, gerät zuweilen wie außer Kontrolle, wenn er solche Verbindungen aus alchemistischen Stoffen mit christlich-mythischen Vorstellungen verbindet:


„Also soll der Philosophus mercken: wann die drey Mörder, als Saturnus, Mars und Mercurius, im Rosinfarben Blut des Löwens ersäuffen, so vergehen sie nicht, sondern ihnen wird vergeben, das ist, ihr Grimm wird in eine Liebe-Begierde transmutiret (…).  Dieser Ritter oder Löwe ist kein Mann noch Weib, sondern er ist beydes (…)“ (11;43f)


Diese – etwas aus dem Zusammenhang gerissenen - Partikel zeigen, dass Böhmes Verständnis von „philosophischem Werk“ auf eine Durchdringung von Naturprozessen und menschlicher Sprache hinausläuft, die, so surreal sie heute auf uns wirkt, den Zeitgenossen das Gefühl eines Geheimwissens vermittelt haben muss, dessen Verklausulierungen zur Methode gehörten. Immer im Wechsel, dessen Logik sich schwer eschließt, spricht Böhme vom Alchimisten als vom Laborant (7;1), Magus (7; 40 u. 43, 7;66), Künstler (7;57, 68, 10;16), eine besondere Bewandtnis scheint es mit dem „Amtmann“ zu haben (8;7, 8;27), dem Medicus (8;13, 9;37), Artista (9;26 und weitere), Doctor (10;10 und weitere). Alle diese Bezeichnungen sind Synonyme für den Alchimisten, der mit seinem „philosophischen Werk“ die göttliche Schöpfung gleichsam im Experiment nachvollzieht – glückt es, so kann er das „Universal“, den „Stein der Weisen“ (lapis philosophorum), als wie er auch Jesus Christus bezeichnet, (vgl. 10;10f) erkennen.(7)


Böhme weiß, dass er kompliziert und verklausuliert schreibt unter einer Zwischenüberschrift mit dem Titel: „Kurtze Summa des Philosophischen Wercks“ heißt es:


„Dem Leser möchte unser Sinn gantz schwer fürfallen (vorkommen – TI), indeme wir also weitläuftig geben, und Christum darunter anzeigen; dessen soll sich keiner verwundern, wir suchen nicht Gold noch zeitlich Gut darmit, und treiben nicht den Menschen in vergebenen (vergeblichen – TI) Vorwitz: Wir reden nur mit den Kindern die GOtt darzu erwehlet hat, dann die Zeit ist geboren, da das Verlorne wieder funden werde; aber nicht das UNIVERSAL zum Leibe dieser Welt, sondern auch das zur Seelen.“ (12;29)


Philosophie in der Natur bzw. im experimentellen Werk des Alchimisten führte offensichtlich zur Erkenntnis des Glaubens, zu Jesus Christus, und das alles ganz ohne kirchlichen Gottesdienst, ohne Messen, sondern außerhalb ihrer. Das „philosophische Werk“ der Alchimie könnte somit die kirchliche Zeremonie ersetzen, der Alchimist den Priester – das ist der Sinn von „Philosophie“ bei Jacob Böhme, und das ist mit den Signaturen der Dinge gemeint, in ihnen sollen wir lesen können wie in einer Heiligen Schrift. Es geht bei Böhmes Übernahmen aus der Alchimie, die zu seiner Zeit längst ihren historischen Zenit überschritten hatte, nicht um Naturkunde, sondern um das geistige Erlebnis einer Gottheit außerhalb der kirchlichen Ordnungen. Jacob Böhme literarisiert die Alchimie.


Der Paracelsus-Schüler Balthasar Walther, der 1619 drei Monate bei Böhme  gewohnt und ihm Paracelsisches Wissen vermittelt haben soll, hat den „Theodidacto“ Jacob Böhme denn auch als „Philosophus Teutonicus“ bezeichnet, (8) eine Ehrenbezeichnung für den akademisch ungelehrten  Schuster, der diesen Titel auch gerne trug und mit „Teutonicus“ auch Briefe unterzeichnete. (vgl. z.B.  Briefe Nr. 23, 37, 38, 61, 63)

 

Naturphilosophie und Gelassenheit


„Ein iedes Ding hat seinen Mund zur Offenbarung.
Und das ist die Natur-Sprache, daraus jedes Ding aus seiner Eigenschaft redet, und sich immer selber offenbaret, und darstellet, worzu es gut und nütz sey,(…).“ (1;16f)


Der „deutsche Philosoph“, wie sich schon Paracelsus einen nannte, experimentiert nicht in Stoffen, sondern mit der Sprache. (9) Auf das Verhältnis Böhmes zu „seiner“ Sprache als der deutschen und zur Sprache Gottes als Natursprache wirft diese Bezeichnung als „deutscher Philosoph“ ein weiteres Licht. „De Signatura Rerum“ führt 1622 eine Sprachphilosophie fort, die Böhme bereits in der „Aurora“ begann, die aber in Werkphase 1619 bis 1621 kaum eine Rolle spielte, dann aber ab der „Signatura Rerum“ wieder aufgegriffen wird.


Die Dinge sprechen um uns herum wie Gehäuse, die etwas zum Tönen bringen, wie Musikinstrumente: Ihre Töne sind das Leben, um dessenwillen die Instrumente gebaut wurden. Böhme führt im ersten Kapitel aus,  


„(…) daß die Signatur oder Gestaltniß kein Geist ist, sondern der Behalter (Behälter – TI) oder Kasten des Geistes, darinnen er lieget; dann die Signatur stehet in der Essenz (liegt im Wesen – TI), und ist gleichwie eine Laute die da stille stehet, die ist ja stumm und unverstanden: so man darauf schläget, so verstehet man die Gestaltniß, in was Form und Zubereitung sie stehet, und nach welcher Stimme sie gezogen ist: Also ist auch die Bezeichnung der Natur in ihrer Gestaltniß ein stumm Wesen, sie ist wie ein zurecht gericht Lauten-Spiel, auf welchem der Willen-Geist schläget; welche Seiten (Saiten – TI) er trift, die klinget nach ihrer Eigenschaft.“ (1;5)


Innerhalb der – stets unterschiedlich dargestellten – Gestaltenlehre Böhmes, die die sieben „Gestalten“ oder Aggregatzustände der Natur reflektiert, wirkt sich Gestalt eins bis fünf wie das kosmische Werden göttlicher Prinzipien aus, die wichtige Gestalt Nummer sechs entspricht der Sprachfähigkeit, der Schöpferkraft Gottes, seiner Sprache, oder dem „Hall“. Gestalt Nummer sieben ist die Signatur, das Aussehen und das sichtbare Ding selbst, eben der Naturgegenstand. Bei Paracelsus hat das Aussehen, die Physiognomie einer Pflanze ihm etwas über ihre – medizinische – Wirkung gesagt; Bei Böhme sagt das Aussehen eines Dinges mehr über den „Geist“, über das Wesen aus, das es geschaffen hat:


Jacob Böhme wendet seine siebenstufige Lehre an, um zu erklären, welche Schöpfungsprozesse es sind, die er in den Signaturen lesen könne.  (vgl. unsere Ausführungen zur Qualitätenlehre ) In Kurzform findet sich diese Lehre mehrmals in der „Signatura Rerum“ (vgl. 4;4-12, oder, in Anwendung auf die sieben Planeten vgl. 9;9-24). Folgerichtig ist daher, dass in diesem Werk, das von den „Dingen“ der Natur handelt, ein eigenes Kapitel nur der siebenten Gestalt oder Qualität widmet. (vgl. Kapitel 12) Es enthält die oben erwähnte „Summa des Philosophischen Wercks“, mit dem der Alchimist die Schöpfung gleichsam experimentell reproduzieren kann. Hier, und genau hier platziert Jacob Böhme seinen Begriff von der „Gelassenheit“, mit der er sich eigens in einer Schrift beschäftigt (siehe unsere Ausführungen). Voraussetzung für das Gelingen des philosophischen Werkes ist die „Gelassenheit“, wie Böhme sie versteht:


„Also wissets nun, meine lieben Mitstimmen im Lobe GOttes, auf und in eurem Halle schalle ich mit meiner im Geist geschlagenen Saiten; Halle also in euch, daß alles was Jesus durch den Christum, als durch seine und meine Menschheit (Mensch-sein – TI) gethan hat, das thut er noch heute in mir, und in allen meinen Mit-Gliedern: Er ist meiner Ichheit in seinem Tode abgestorben, und ich sterbe auch meiner Ichheit in seinem Tode ab; Er ist seiner Gelassenheit in GOtt seinem Vater einergeben (…).“ (12;15)


An dieser Stelle, selten so deutlich wie hier, können wir eine Parallele beobachten zwischen dem göttlichen „Hall“ und dem „Hall“, den seine Schriften in den Lesern erzeugt. Das Gleichnis vom Musikinstrument bezieht sich auf die Dingwelt sowie auf ihn, auf Jacob Böhme. Gelassenheit versteht Böhme als den ichlosen Zustand, in dem er sich mit den Schöpfungskräften eins weiß. Diese philosophische unio mystica wirkt wie eine Rechtfertigung, überhaupt schreiben zu dürfen, hier wie an anderen Stellen seines Werkes. Hinter der Naturkunde in der „Signatura Rerum“ steht ein grandioses System einer Selbstrechtfertigung als Autor.


Das so exklusiv naturkundlich argumentierende Werk „De Signatura Rerum“ hat mit Naturkunde, wie wir sie kennen, nichts zu tun. Es handelt sich um eine Naturphilosophie, die der Selbsterfahrung dient, die in den Dingen, in den „Signaturen“ eine Ichbezogenheit zu verlieren sucht, um an der Ganzheit der Welt teilzuhaben, und insofern enthält dieses Werk die selbstreflexive Naturmystik einer emanzipatorischen Erfahrung.

 

 

Anmerkungen:


(1) Vgl. z.B. das Vorwort von Will-Erich Peuckert zu den Sämtlichen Schriften, Band 6, Seite 5.
(2) Vgl. den Stellenkommentar zur Neuedition der „Signatura Rerum“ von Ferdinand van Ingen in: Jacob Böhme: Werke. Frankfurt / Main 2009, S. 1051 bis 1144.  Ferner: Gernot Böhme: Die Signaturenlehre bei Paracelsus und Jacob Böhme. In: ders.: Natur, Leib, Sprache. (Rotterdamsche Folosofische Studies, III, 1986), S. 15-26. Andrew Weeks: Böhme, Paracelsus und die Quellen der Metaphysik des Willens, in: Böhme Studien 2, S. 19-30. Zu diesem Band
(3) Vgl. Joachim Telle: Jakob Böhme unter deutschen Alchemikern der frühen Neuzeit. In: Offenbarung und Episteme, ebenda, S. 165-182.
(4) Vgl. Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt am Main 1981, bes. S. 58-67.
(5) Theophrastus Paracelsus: Werke in fünf Bänden, hg. von Will-Erich Peuckert, Darmstadt 1976, Band 5 S. 101.
(6) Ebenda Band 4, S. 138 f.
(7) Vgl. C.G. Jung: Erlösungsvorstellungen in der Alchemie, Grundwerk Band 6, Olten 1985, besonders das Kapitel „Die Lapis-Christus-Parallele, S. 118-197.
(8) So im „Historischen Bericht“ des Abraham von Frankenberg 1651, in Böhmes Sämtlichen Schriften Band 10, Seite 14f.
(9) Vgl. hierzu ausführlich: Günther Bonheim: Zeichendeutung und Natursprache. Ein Versuch über Jacob Böhme. Würzburg 1992, bes. Teil III: Göttliches Sprechen, menschliche Sprache, S. 227-392

Umfang: 244 Seiten, Sämtl. Schriften Band 6
Überliefert in mehreren Abschriften. Zur Zeit beste Ausgabe in: Werke. Herausgegeben von Ferdinand van Ingen. Frankfurt am Main 2009. Textgrundlage ist die erste Druckfassung von 1635.
Zitate unter Verwendung der Absatzzählung aus:
Jacob Böhme: Sämtliche Schriften. Herausgegeben von Will-Erich Peuckert/August Faust. Faksimile-Neudruck der Ausgabe von 1730. Sechster Band. Stuttgart: Friedrich Frommanns Verlag, 1957.

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